Immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen und Abenteuern beobachte ich staendig die Job-Bank Internetseite des Governments und da Andreas' Truck-radius bis weit nach Ontario reicht, fand ich ein Stellenangebot aus Ottawa sehr verlockend:
Eine Hersteller von Hochdruckhomogenisatoren für den internationalen Markt suchte eine Kaufmaennische Sachbearbeiterin mit deutsch Kenntnissen fuer die Auftragsabwicklung, mit der Bereitschaft, ab und zu die deutsche Filiale der Firma in Mannheim zu bereisen. Geworben wurde mit ueberdurchschnittlich hohem Gehalt und guten sozialen Leistungen. Alle gewuenschten Anforderungen passten zu meinem Profil, also bewarb ich mich im April auf deutsch und englisch um diese Stelle. Leider habe ich keine Resonanz auf mein Anschreiben erhalten, die Stellenanzeige blieb jedoch weiterhin auf der "Job-Bank" Seite ausgeschrieben.
Ueber 4 Monate.
Ueber 4 Monate.
Letzte Woche Mittwoch habe ich dann einfach nocheinmal eine Email geschrieben, sinngemaess etwa "...offensichtlich haben Sie Ihre Wunschkandidatin noch nicht gefunden, deshalb moechte ich mich gerne noch einmal in Erinnerung bringen..."
Am selben Nachmittag klingelte mein Handy und der Chef der Firma, der sich mit Mark vorstellte, war dran. Auf deutsch erklaerte er mir, dass er neben der Firma, fuer die er eine Sachbearbeiterin sucht, auch noch eine Firma, die sehr hochwertige Einbaukuechen herstellt hat. In meinem Lebenslauf habe er meine Erfahrungen in der Kuechen- und Moebelbranche gesehen (ueber 25 Jahre her!!) und fragte mich, ob ich mir vorstellen koenne, seinen neu eroeffneten Kuechen-Showroom in Downtown Toronto zu leiten.
Klar kann ich mir das vorstellen!
Nach kurzer Planung stand fest: Ich fliege am kommenden Mittwoch nach Ottawa und Andreas nimmt mich auf dem Heimweg mit dem Truck wieder mit zurueck. Mark erklaerte sich ungefragt dazu bereit, die Kosten fuer meinen Flug zu uebernehmen.
Es folgten 6 Tage voller toller Plaene und Luftschloesser. Downtown Toronto waere genau mein Fall. Zumindest mal eine Zeitlang... Dazu ein Job der Spass macht, also eigentlich war es "too good to be true". Aber wenn mich jemand extra zum Interview einfliegen laesst, dann muss doch auch was dran sein.
Endlich kam der ersehnte Mittwoch. Dienstag war ich beim Friseur, das Outfit war neu, die Bewerbungsmappe zusammengestellt, kurz um: Ich war bereit.
Um 4 Uhr (!) morgens war die Nacht um. Marco fuhr mich zum Flughafen und um 6.30 Uhr ging es mit einer (wirklich ziemlich kleinen) Dash 8 in gut 2 Stunden nach Ottawa. Ganz schoen holprig war es da oben, und da das Fliegen nicht gerade mein Hobby ist, hab ich mich im Flieger mit der Aussicht auf einen Super Job getroestet und versucht, bei den tiefen Luftloechern nicht zu laut zu quicken.
Kaum angekommen klingelte auch schon mein Handy und Mark teilte mir mit, dass er in 10 Minuten da sei um mich abzuholen. Aus den 10 wurden dann fast 40 Minuten und ein voellig muerrischer, offensichtlich nicht mit mir reden wollender Mitfuenfziger (geschaetzte Angabe ohne Gewaehr) holte mich in seinem Mercedes SUV ab. Meine freundlichen Versuche Kontakt aufzunehmen endeten in kurzen einsilbigen englischen Anworten und so gab ich fuers erste auf und wir fuhren schweigend ca. 15 Minuten zur Firma.
Dort angekommen fuehrte er mich durch eine sehr ordentliche und tadellos gepflegte Firma (wenn man den total verwilderten Vorgarten mal ausnimmt), die aber bis auf eine Notbesetzung verwaist war, da gerade eine 2-woechige Sommerpause ist. Alles sah hochwertig und modern aus und ueberall hingen Gemaelde, von denen er mir mehrmals mitteilte, dass deren Durchschnittswert bei $ 30.000,- liege.
Im schicken Pausenraum angekommen legte er mir einen Kuechenplan vor, in dem angeblich ein kleiner Fehler sei, den ich finden sollte. Ich fand 2 Fehler und Mark war begeistert. Soweit so gut, dachte ich und irrte mich gewaltig.
Denn als Naechstes wurde ich in die Schreinerei gebracht, mit 3 Nummern zu grossen Arbeitsschuhen ausgestattet und mit der Aufgabe belegt, fuer die -wie ich fand- ziemlich haesslichen Gemaelde, Transportkisten zu bauen. Ohhhkey...
Und bevor ich richtig wusste was los war, stand ich mit 2 jungen Maennern, die, wie ich spaeter erfuhr, auf die gleiche Art und Weise wie ich da hingeraten waren, in meinen schoenen neuen Klamotten und meinen frisch manikuerten Naegeln in Ottawa und schreinerte Kisten.
Mark wusselte um uns herum und behandelte die beiden Maenner wie die allerletzten Idioten. Er erniedrigte und beleidigte die beiden, die das scheinbar gewohnt waren und es wehrlos ueber sich ergehen liessen, in einer Tour.
Mich hingegen behandelte er freundlich, nutzte aber jede Gelegenheit, den beiden Jungs zu erklaeren, dass da wohl erst ein Frau kommen muss, um ihnen zu zeigen, wo der Hammer haengt. Das war aber gar nicht so, ich fand dieses Verhalten total unangebracht und unprofessionell. Mir war's peinlich.
Nachdem der mir uebertragene Arbeitsabschnitt erledigt war (so gegen 11 Uhr), hab ich dann nachgefragt, ob wir uns jetzt mal unterhalten koennten... In sehr schnodderigem Ton kam dann das hier:
"Wir brauchen uns nicht unterhalten, Sie sind eingestellt, ich weiss genau, was Sie koennen, das reicht mir."
"Ja, aber was waeren denn meine Aufgaben?"
"Hier gibt es keine Stellenbeschreibung. Hier muss jeder ALLES machen."
"Und der Showroom in Toronto?"
"Bevor Sie nach Toronto koennen, muessen sie erst einmal einige Monate hier arbeiten. Dann sehen wir, ob Sie nach Toronto koennen."
"Waere es denn immer koerperliche Arbeit?"
"Ach finden Sie das etwa koerperlich?"
Drehte sich um und ging weg. Da hatte ich die ersten Fluchtimpulse, aber ich hab erst mal weitergearbeitet, fleissiges Bienchen ich...
Einige Zeit spaeter bin ich dann zu seinem Schreibtisch, der in einem Grossraumbuero steht (sicher zu Ueberwachungszwecken) und habe ihm meine Bewerbungsmappe mit den deutschen Zeugnissen gereicht.
"Brauch ich nicht, ich weiss eh alles ueber Sie, was ich wissen muss."
Und liess mich wieder stehen.
Also stapfte ich mit den viel zu grossen Maennerschuhen zurueck in die Werkstatt und schreinerte weiter.
Ansich war meine Meinung und meine Entscheidung bis dahin schon gefallen und eigentlich haette ich gehen koennen, aber wohin?? Andreas wuerde nicht vor 18 Uhr vor Ort sein. Ich war mitten in einem Gewerbegebiet, hatte kein Auto und keine Ahnung, wo ich haette hingehen koennen. Kein TIM HORTONS weit und breit... Also entschied ich mich, erst einmal weiterzuschreinern und den Tag abzuwarten.
Unterdessen konnte ich mich weiter von den voellig fehlenden sozialen Kompetenzen des Mark R. ueberzeugen. Zwei weitere junge Maenner waren zum Interview gekommen, beide wurden von ihm zum Arbeiten eingespannt und jeweils so eingeschuechtert, dass der eine so zitterte, dass er den Schrauber nicht halten konnte und der andere bekam riesen Schweissflecken auf dem Hemd. Danach hat Mark vor mir und den anderen Kollegen ueber die Bewerber ganz boese gelaestert ("Der eine war ja so dumm, dass er seinen eigenen Namen nicht schreiben konnte...") Wie immer uebrigens alles in englischer Sprache. Obwohl viele Deutsche dort waren, von den 10 Leuten die ich dort traf, waren glaub' ich nur 3 Kanadier, war deutsch sprechen auch untereinander nicht erwuenscht.
Ein bisschen spaeter hatte ich Gelegenheit, mich im Vertrauen mit ein paar Kollegen zu unterhalten und bekam u.a. zu hoeren, dass Mark offensichtlich an einer Art Authismus leidet und quasi in seiner eigenen Welt lebt und nur sehr schwierig zu ertragen sei. Na klasse!
Kurz vor Feierabend wollte ich trotz allem doch noch wissen, was es zu verdienen gaebe und bekam inklusive eines dummen Spruchs ein Jahresgehalt genannt, bei dem im Monat netto nicht wesentlich mehr rauskaeme, als das was ich hier im Labor verdiene. Mhm...
Um 16.45 Uhr hiess es dann endlich Feierabend. Ich erhielt meinen Scheck fuer den Flug, Mark gab mir die Hand und meinte: "Ueberlegen Sie es sich und melden sie sich bei mir."
Aehm, was soll ich mir bitte ueberlegen? Ob ich hier als Schreiner arbeiten will? Da brauch ich nicht lange ueberlegen, die Antwort lautet
NEIN!
Fluchtartig habe ich meine Tasche geschnappt und bin raus. Zum Glueck fand ich eine Parkbank in der Naehe (auf der ich sogar WiFi hatte) und ein Stuendchen spaeter kam Andreas. Ich freu mich ja immer, wenn ich ihn kommen sehe, aber diesmal ganz besonders...!
Zusammenfassend kann ich sagen:
- Ein Gespraech, also ein Vorstellungsgespraech, bei dem Mark mich kennenlernen und ich den Job und die Firma kennenlernen gekonnt haette, kam trotz mehrfacher Bemuehungen meinerseits nicht zustande.
- Mark hat sich seinen Angestellten gegenueber sehr respektlos und arrogant verhalten. Wenn ich auch (noch) nicht direkt betroffen war, so ist doch davon auszugehen, dass ich als seine Angestellte genauso heruntergeputzt werden wuerde.
- Gegen eine Einarbeitungszeit in der Schreinerei zur Vorbereitung auf das Kuechengeschaeft habe ich im Grunde nichts einzuwenden, aber davon war ueberhaupt nicht mehr die Rede. Und als Maedchen fuer Alles, ohne Stellenbeschreibung und fuer drei Mark fufzich die Stunde ziehe ich nicht quer durch Kanada.
Alles in allem bin ich die 1200 km voellig umsonst nach Ottawa gereist. Halt stop, so kann man das auch nicht sagen. Um eine Erfahrung bin ich auf jeden Fall reicher.
Also echt, wieder mal ein typisches Bridschid-Abenteuer, gell ;-)
xoxo
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